„Henry, du schreibst Schmonzetten. Dabei darf man gar nicht zuviel nachdenken."
Henry war siebzehn Jahre lang Herzog gewesen und mehr als 450 Jahre lang Vampir: Er hatte lange gebraucht, um zu merken, wann man ihn auf die Schippe nahm. Tony war in diesem Lernprozeß ein- zweimal knapp mit dem Leben davongekommen. Henry sah auf und seufzte: „Ich kann immer nur denken: warum ausgerechnet ich." Er lachte, aber es klang nicht wirklich fröhlich. „Das hört sich egoistisch an, denn immerhin spukt es bei mir nur. Mich hat niemand verstümmelt und ermordet." Henry schob seinen ergonomisch perfekt geformten Stuhl zurück, drehte sich einmal und stand auf. „Ich muß raus hier, ich muß auf andere Gedanken kommen."
„Prima!" Tony grinste. „Im Capri spielen sie um Mitternacht Bram Stokers Dracula."
„Warum nicht." Henry amüsierte sich über den völlig verdutzten Gesichtsausdruck seines Freundes, drehte den jungen Mann einfach um und schob ihn sanft zur Tür hinaus. „Ich habe gehört, Gary Oldman sei fantastisch in der Rolle."
„Gehört hast du das?" spuckte Tony wütend, während ihm Henry keine Wahl ließ und er sich wohl oder übel sanft, aber bestimmt durch die Tür befördern lassen mußte. „Von mir hast du das, von mir, und als ich dir das damals erzählt habe, hast du nur gemeint, du gehst nie in Vampirfilme! Soweit zu deinem: Warum eigentlich nicht!"
„Dann habe ich eben meine Meinung geändert." Henry konnte nicht anders, er mußte hinzufügen: „Vielleicht schnappen wir uns ja auch noch einen kleinen Happen zu essen, wenn wir schon mal in der Stadt sind."
Die Fahrstühle im Pacific Palace waren die schnellsten und geräuschlosesten, die man mit Geld kaufen konnte. Henry hielt die Fingerspitzen leicht gegen die glatte Stahltür zum Fahrstuhlschacht gepreßt, neigte den Kopf zur Seite und lächelte. „Hört sich an, als würde Lisa wieder einmal einem Taxifahrer ausführlich ihre Meinung sagen."
Tony verzog das Gesicht. „Mann, bin ich froh, daß sie uns beide gern hat."
Dann kündigte die Glocke das Näherkommen des Aufzugs an, und die beiden Männer traten von der Tür zurück.
„Hallo Jungs!" Lisa Evans hielt mit behandschuhter Hand den Arm ihrer bezahlten Gesellschafterin umklammert, trat auf den Gang hinaus und setzte ein sehr teures, sehr perfektes Grinsen auf. Blendend weiße Zähne zwischen funkelnd roten Lippen betonten auf gespenstische Art die totenkopfartigen Züge, die das Gesicht der alten Frau prägten, seit das